Beim Radfahren ist nicht immer alles easy cheesy – die zweite Woche (05.-11.09)

12. Sep 2022 | mit dem FAHRRAD

Im vorherigen Bericht habt ihr erfahren, dass wir routinierter geworden sind. Wir wachen meist um 7 Uhr auf, brauchen dann mehr als eine Stunde um alles zusammenzupacken und loszufahren. Wenn wir die ersten 20-30 km hinter uns gebracht haben, gibts eine kurze Pause zum Frühstücken. Danach kommen wieder 20 km, je nachdem wie spät es ist, kann es auch mehr werden. Zwischen Eins und Zwei wird‘s uns meist zu heiß. Wir machen Siesta, ölen unsere Ketten und chillen ein bisschen. Ab drei/vier Uhr gehts wieder auf den Sattel, weitere Kilometer werden gemacht. Und schon langsam beginnt die Schlafplatzsuche. Wenn ein guter Spot auserwählt worden ist, wird noch gekocht und ab in die Heier.

Prinzipiell sollte dieses Konzept auch in der zweiten Woche beibehalten werden. Doch wie soll es anders sein. Auch bei uns gibt es unvorhergesehene Dinge. Aber nun von Anfang an.

Die Plattenmisere – drei Patschen an einem Tag

Montag verlief bis um 17 Uhr so wie immer. Wir sind weiterhin viel Bundesstraße bzw. Landstraßen gefahren, da es in der Region Pietmont keine beschilderten Radwege gibt. Zumindest haben wir noch keine gesehen. Markus navigiert uns mit seinem Handy durch die Gegend und hin und wieder verfahren wir uns auch. So wie montags den 5. September um 17:00 Uhr. Ich, Andrea, musste umkehren und fuhr durch am Boden liegendes Gestrüpp. Gedacht habe ich mir nichts. Bis ich merkte, dass Dornen in meinen Reifen steckten. Und wenige Minuten später, haben sich manche davon gelöst und der Hinterreifen war platt. Hätte ich den Rat von Markus Papa Franz befolgt, würde ich Schwalbe Marathon Reifen (mit Pannenschutz) fahren und das ganze wäre vielleicht nicht passiert. Denn so hat unser Plattenmisere begonnen. Hätte ich doch nur gehorcht 😛

Mehr als 15 Minuten haben wir gebraucht um den Schlauch zu wechseln und annähernd drei bar in den Reifen mit unser Minipumpe zu bekommen. Der wünschenswerte Druck im Reifen liegt bei unseren Bedingungen höher, somit suchten wir nach einem Radgeschäft. So weit sind wir aber garnicht gekommen, bei meinem Voderreifen lösten sich ebenfalls die Dornen, er war nach wenigen Metern platt. Mit neuen Schläuchen bestückte Reifen mit optimalen Druck sollte es raus aus der Stadt Vercelli gehen, doch so einfach sollte es nicht gehen, ich hatte nochmals am Hinterreifen einen Platten. Wir beide waren von den Pannen genervt, wir wollten doch nur vorankommen. Ca. 10 km nach Vercelli haben wir unser Zelt zwischen Reisfeldern aufgestellt. Hört sich romantisch an, den Platz teilt man sich aber mit tausenden von Gelsen…

Neuer Tag – neues Glück

Die Nacht war trotz der vielen Gelsen ganz gut, denn in unser Innenzelt gelangen sie nicht. Alles zusammengepackt und auf aufs Rad – doch bei mir war der Vorderreifen luftlos. Wir hatten bei den Schlauchwechsel die Mäntel sorgfältig abgesucht und sauber gearbeitet, aber irgendetwas ist schief gelaufen…

Die Wette, ob es der letzte Platten am heutigen Tag sein sollte, wurde hoffnungsvoll abgeschlossen – es war so, zumindest an meinem Rad. Markus kam jedoch mittem im Kreisverkehr in einer Vorstadt von Turin zu stehen. Sein Hinterreifen war platt. Aufgrund der vielen Pannen hatten wir auch keinen brauchbaren Schlauch mehr zur Verfügung (wir hatten noch zwei Schläuche mit italienischen Ventil, mit diesem konnten wir aber bis dato nicht umgehen). Ich zischte in die Stadt um den Schlauchvorrat aufzustocken und Markus flickte einsweilen den Schlauch. Mit einem amerikanischen Ventil zurückgekommen, hatte auch Markus alles wieder zum Laufen gebracht. Patschen sind mühsam, sie rauben einem viel Zeit, Nerven und Muskelkraft (Markus hat nach dem vielen Handaufpumpen Muskelkater bekommen). Wir, unsere Muskeln und unsere Nerven, brauchten eine Pause.

Pausetag in Turin

Der Pausetag begann mit einem Platten. Diesmal wieder an meinem Rad. Den Schlauch habe ich aber nicht gleich getauscht, sondern als To-do für Nachmittag vorgemerkt. Der Vormittag wurde noch am Campingplatz außerhalb von Turin mit Recherche zu Unterkunft, Wetter und Route für die nächsten Tage genutzt. Zu Mittag gings auf den Sattel um uns auf den Weg zu unser Bleibe für die Nacht zu machen. Dort wurden Nudeln gekocht, der Vorderreifen gründlichst auf kleine Dornen durchsucht und weitere Recherche für die beste Alpenüberquerung betrieben. Und Turin wollte von uns auch noch erkundet werden. Auch wenn wir viel für unsere Weiterreise erledigen mussten, tat es gut nicht auch noch 100 Kilometer Rad zufahren.

Mit voller Ernergie Richtung Alpen

Fröhlich pfeifend fuhr Markus den Weg raus aus der Stadt. Das Ziel war so weit wie möglich ans südliche Gebirge von Turin zu kommen, damit wir am nächsten Tag gleich in der früh die Alpen überqueren können. Es lief gut, wir sind im Rhythmus zurück. Gefahren sind wir über Landstraße von Kuhdorf zu Kuhdorf. Am Abend entschieden wir uns für ruhigere Straßen, hätten wir vorab gewusst, dass dies einer Alpenüberquerung gleicht, wären wir wahrscheinlich doch die Landstraße weitergefahren. Aber alles was anstrengend ist, hat etwas Schönes. Der Ausblick in den Weingärten war unbezahlbar, die kleinen Dörfer idyllisch und das Bergauf Bergab bot Abwechslung.

Aber irgendetwas fehlt: Aja ein platter Reifen!

Am Morgen aufzuwachen und zu wissen, dass wir an diesen Tag das Meer erreichen, lässt uns fast vor Vorfreude platzen. Aber erst müssen einige Höhenmeter überwunden werden. Aufgrund der geringen Steigung merkten wir diese nicht einmal wirklich. Glück für uns, denn ab der Bergspitze gings einige Kilometer steil bergab. In Albenga angekommen, beeindruckte uns der Blick aufs Meer. Erfrischend war es ebenso, endlich schmecken unsere Lippen nach Salz. Der Küste entlang gings dann noch bis Sanremo, dort hatten wir einen Schlafplatz in einem Agriculture Campingplatz reserviert. Der Weg dorthin war ein steiniger… zuerst hatten wir starken Gegenwind (Küstenwind), dann stürzte Markus und aufgrund des Sturzes hatte er einen Platten. Aber das war noch nicht genug, Google Maps leitete uns über einen sehr (!) steilen Weg zum Campingplatz. Die einzige Möglichkeit war das Rad zu schieben, nach 130 gefahrenen Kilometer, war das richtig anstrengend, so verließ uns immer wieder mal die Standfestigkeit und wir fiehlen zu Boden. Doch wie gesagt: Alles anstrengend hat auch etwas Schönes. Der Blick aufs Meer, der Sonnenuntergang und der Campingplatz waren es wert.

Frankreich wir kommen!

Die Nacht hatten wir unter freiem Himmel mit Vollmond verbracht, wie aus dem Bilderbuch. Markus konnte sogar morgens den Monduntergang beobachten, aber seht ruhig selbst:

Wunderschön oder?

Die Muskeln waren vom Vortag schwer, doch das nächste Land ist greifbar nahe, das motiviert uns. Und die erste Stadt auf Frankreichs Seite Menton lässt uns Staunen, so bunt, so farbenfroh – sehr schön. Lange bleiben wir nicht in Frankreich, denn wir wollen den Livestyle der High Society in Monaco erleben. Und die heiß begehrte Formel-1 Strecke sind wir mit unseren Rädern fast so schnell wie Marc Verstappen gefahren. Wir sehen Anwesen, die pompöser nicht sein können und Autos, die wir uns nie leisten werden. In dem ganzen Trubel stellen wir uns die Frage: Ab wann ist man reich? Google beantwortet diese Frage mit „Als reich gilt man, wenn man ein Vermögen über 722.000€ besitzt“. Ich bin der Meinung Markus und ich sind auch reich. Reich an neuen Eindrücken.

Auf der Sonnenseite – die Côte d‘Azur

Weitere Eindrücke sammelten wir in Nizza, einer sehenswerten Stadt und suchten dann die Ruhe auf einem Campingplatz. Am nächsten Tag gings weiter nach Cannes und ab ins rote Gebirge (Esterel), ebenfalls sehr zu empfehlen. An der einen Seite steile Felsformationen und zu seiner linken Seite das offene Meer. Mittagspause machten wir in einer Bucht und die Nacht verbrachten wir auf einer Aussichtsplattform direkt am Meer am Fuße des Cap Roux (453 Meter hoher Berg). Die Côte d‘Azur ist faszinierend, wunderschöne Städte, türkisblaues Meer und zugleich naturbelassen im Esterel Gebirge. Wir werden sicher wieder Mal hierher kommen. Aber nun geht der Weg ins Landesinnere, wir wollen wissen wo die berühmten Kräuter der Provence angebaut werden.