Andere Länder, andere Sitten – die zehnte Woche (31.10-06.11)

07. Nov 2022 | Indien, mit dem RUCKSACK

Eines können wir euch gleich vorab sagen: In Indien läuft vieles anders. Hier wird dir lautstark ins Gesicht gerüpst und überall wo es möglich ist, wird gedrängelt. Für uns verlief die erste Woche Indien sehr bescheiden. Wir haben uns durch bürokratisches Zeug und Menschenmassen geschlagen und sind am Sonntag erst so richtig in Indien angekommen.

Mit 900 km/h nach Indien

Mit gepacken Rucksäcken ging es Montagvormittag mit einem letztem Msem (=marokkanisches Fladenbrot) in der Hand zum Flughafen von Casablanca. Unser erste Flug von Marokko nach Istanbul verlief wünschenswert. Keine Verspätungen, keine großartigen Turbulenzen, gutes Essen und toller Service. Beim zweiten Flug nach Doha, der Hauptstadt des Emirates Katar, beim Boarding plötzlich die Nachricht: ohne Visum kein Flug! Erschrocken wurden wir von einem Airline Mitarbeiter zur Seite gebeten. Nachdem er allerdings erfahren hatte, das wir Doha nur für Transit nutzen war alles geklärt und er wünschte uns einen guten Flug. Das wir überhaupt ein Vorab-Visum brauchen war uns neu, denn natürlich prüften wir auch den Fall, dass wir einreisen und neu einchecken müssen. Die Visabedingungen wurden allerdings wegen der nahenden Fußball WM von 31. Oktober auf 1. November geändert. Und unser Flug ging in der Nacht des Monatswechsels.

Am Flughafen in Doha holte uns die Müdigkeit ein. Aufgrund des Wechsel der Zeitzonen war unser Biorhythmus aus dem Gleichgewicht und wir fühlten uns um 6 Uhr Ortszeit (4 Uhr in Österreich) in Katar hundsmüde. Bis zu unseren letzten Flug lümmelten wir am Flughafen herum. Und als wir auf unseren Plätzen im Flugzeug saßen, schlief Markus gleich und ich eine halbe Stunde später ein. Verwirrt wachte ich auf – sind wir schon gelandet oder wieso sind wir nicht in der Luft? Markus klärte mich auf, seit über einer Stunde war das technische Personal damit beschäftigt ein Problem an unserer Maschine zu beheben. Die Flugbegleiter/-innen versorgten uns währenddessen mit einem indischen Mittagessen. Als wir den Reis mit scharfer Soße verspeist hatten, hoben wir ab. Und sind nach drei Stunden in Mumbai gelandet. Das ungute Bauchgefühl mit Air India zu fliegen (teilweise sehr schlechte Rezensionen) war nicht berechtigt.

Indisches Festland und zugleich auch unser erstes indisches Erlebnis: Sobald das Flugzeug das Festland berührte, schnallten sich viele Indier ab, sprangen auf und schnappten ihre Taschen. Immer mehr Reisende brachen in Hektik aus. Laute Stimmen versuchten die Personen zum Niedersitzen zu zwingen, aber vergebens. Erst als zwei Flugbegleiterinnen sich durch die Menschenmenge durchquetschten und alle zurechtwies, kehrte Ordnung ein. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass das „normal“ in Indien ist, mit unseren heutigen Wissen wissen wir: Indien ist anders.

Nach der problemlosen Einreise wagten wir uns auf die Straßen. Der Verkehr in Indien ist linksseitig, das ist schoneinmal etwas ungewöhnlich für uns, aber noch kurioser ist das Gehupe. Jede/r Last-, Bus-, Auto und Tuk-Tukfahrer/-in hupt wild herum, um zu zeigen: Ich fahre auf der Straße. Wir als Fußgänger/-in sind das letzte Glied und müssen uns dementsprechend auch umsichtig fortbewegen.

Bürokratie in Indien

Außerhalb von Europa müssen wir uns immer eine lokale SIM-Karte kaufen, die über mobile Daten im jeweiligen Land verfügt, um damit im Internet zu surfen. In den meisten Ländern ist das unkompliziert. SIM-Karten werden dort in allen kleinen Shops verkauft. In Indien läuft es anders. Nur in den großen Geschäften der Tarifanbieter können wir mittels Pass und Visa eine SIM-Karte kaufen. Der ganze Prozess zog sich ziemlich in die Länge, sodass wir nach einer Dreiviertelstunde zum Zappeln anfingen. Wieso dauert das so lange?

Unsere Ungeduld stillten wir anschließend, als wir die SIM endlich im Handy hatten, mit feinstem indischen Fastfood. Samosa, Masala Dosa und vieles mehr wobei wir garnicht mehr wissen wie es hieß, füllte unsere Mägen. Danach fuhren wir in die Innenstadt zum Bahnhof, um uns ein Zugticket nach Goa zu kaufen. Bisher hatten wir beim Buchen von Tickets keine großen Hürden zu bewältigen. Nicht aber in Indien, denn Indien ist anders. Am Ticketschalter können wir nur mit unserem Pass und unserem Visa ein Ticket kaufen und da wir beides nicht bei unserer Stadtbesichtigung mithaben, verlassen wir den Bahnhof ohne Ticket. Zeit für eine klitzekleine Stadttour. Denn Mumbai ist so groß und stark befahren, dass wir in zwei Stunden nur zum Gate Way of India (2km entfernt) hin, eine Runde drehen und wieder zurück kommen. Zu unserem Hostel zurück nahmen wir wieder den Zug. Eigentlich ist ja auch das Zugfahren in den meisten Ländern das selbe. Aber nicht in Indien. Der Zug fährt mit offenen Türen und die Fahrgäste springen schon bevor der Zug hält auf oder vom Zug ab. In der Rushhour (=Stoßzeit) fahren besonders viele raus aus der Stadt. Wir auch. Nur blöd, dass wir nicht ganz vertraut mit dem Zugfahren in Indien sind. Zu Beginn der Fahrt war der Zug mäßig gefüllt, dass änderte sich jedoch zwei Stationen vor unserer eigentlichen Haltestelle. Der Zug war dann mit Menschen vollgestopft. Bei unserer Haltestelle drängten wir uns durch die Menschenmassen durch, aber leider zu ineffizient. Unzählige Menschen sprangen bereits wieder auf den Zug auf, sodass es unmöglich war nur irgendwie runterzukommen. Bei der nächsten Station hatten wir beide den Dreh raus – bevor der Zug zum Stillstand kam sprangen wir ab, obwohl wir zugleich von aufspringenden Pendler zurückgedrängt werden.

Ohne Zugticket dafür aber mit blauen Flecken sind wir im Hostel angekommen. Mittwochabend beschäftigt uns die online Ticketsbuchung bis 1 Uhr in der Früh. Hannes, ein Reisender aus Deutschland stand uns mit Rat und Tat zur Seite, da er sich bereits durch all den bürokratischen Kram geschlagen hat. Und am Ende hatten wir den Schlafzug von Mumbai nach Goa gebucht.

Der Weg nach Goa

Beim Zubettgehen dachten wir zumindest, dass wir ein Ticket haben. Morgens wurde uns bewusst, dass der Zug voll war und wir ein Wartelisteticket gebucht hatten. Laut Kiran, dem Hostelbesitzer, ist die Chance gleich Null, dass wir ein richtiges Ticket bekommen werden. Somit begann die Suche nach einer Möglichkeit nach Goa zu kommen von Neuem. Diesmal fokussierten wir uns auf Schlafbusse. Wir haben den passenden Bus ausgewählt und wollten buchen. Aber natürlich ging das nicht. Wir scheiterten an der Bezahlung. Die Kosten des Nachtbusses können nur mit einer indischen Kreditkarte beglichen werden. Die Verzweiflung stand uns so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass sogar Kiran unsere Hilflosigkeit bemerkte und für uns die Zahlung tätigte. ENDLICH haben wir einen Plan, wie wir weiter runter in den Süden kommen sollen.

Bei einer Bushaltestelle direkt auf der Autobahn warteten wir auf unser Transportmittel. Wir hatten ein ungutes Gefühl. Was ist wenn wir garnicht schlafen können? Wie wird der Bus wirklich aussehen? 17 Stunden busfahren? Die Anspannung war schnell weg. Im oberen Teil hatten wir zwei Betten direkt nebeneinander und sie waren angenehmer als gedacht. Wir konnten sowohl liegen als auch sitzen. Neugierig guckten wir aus dem Fenster. Mumbai ist riesig und wir staunen welche Häuser wir zu Gesicht bekommen. In Indien leben viel mehr Menschen auf engerem Raum als bei uns und das merken wir. Nach einigen Stunden Fahrzeit sind wir aus der Metropole Mumbai und ihren großen Vorstädten heraus und fahren von nun auf einer Bergstraße. Nicht ganz ideal fürs Schlafen, da wir bei den Kurven immer wieder aufwachen. Aber im Gesamten haben wir die Nacht sinnvoll genutzt, denn wir sind in Goa angekommen.

Goa – der Bundesstaat mit den schönen Stränden und Partys…

Unser Quatier liegt in Südgoa, ein paar Gehminuten vom Strand entfernt. Dieser ist ganz fein und fast weiß. Das arabische Meer kommt uns ein einige Grade wärmer vor als die bisherigen Meere und die Luftfeuchtigkeit hier ist immens. Wir brauchen uns garnicht anstrengen und schwitzen trotzdem unsere Kleidung an. Nicht nur draußen schwitzen wir, sondern auch beim Essen. Durch die Schärfe fangen unsere Nasen zum Laufen an und Schweißperlen bilden sich auf unseren Gesichtern. Dennoch schmeckt uns das indische Essen sehr. Nur hier in Goa finden wir nicht recht gute Lokale.

Am nächsten Tag wollten wir der Mittagshitze entkommen und folgten dem Rat unserer Quatiervermieterin. Wir gingen in aller Früh laufen und am Abend erst kurz vor Sonnenuntergang traten wir wieder aus dem klimatisierten Raum raus. In der Zwischenzeit buchten wir ein Zugticket nach Hampi. Hampi ist ein kleine Stadt im Landesinneren von Indien und zieht uns wegen ihren vielen historischen Gebäuden an. Dort hoffen wir auf mehr Natur, weniger Menschen und mehr „In-Indien-Ankommen“. Derzeit fühlen wir uns noch nicht richtig wohl. Goa haben wir uns naturnaher und mit vielen jungen Leuten vorgestellt. Währenddessen ist fast der ganze Strand mit Lokalen bebaut und Backpacker, wie wir es sind, sehen wir garnicht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir in Südgoa sind. In Nordgoa tanzen anscheinend junge Menschenmengen am Abend zu indischer Musik herum und in Südgoa geht es ruhiger zu.

Happy Hampi

Um 5:25 Uhr in der Früh läutete der Wecker, damit wir mit einem Tuk-Tuk zum Bahnhof von Madgoa fahren. Eine fast 8 Stunden Zugfahrt lag vor uns. Im Zug mussten wir uns erst einmal zurecht finden. In indischen Zügen gibt es keine Sitze so wie bei uns. Tag und Nacht fahren Schlafzüge. Ganze Wagons sind mit Betten bestückt und die Züge sind meist einen halben Kilometer lang. Dementsprechend fahren viele Personen mit den Zügen und dabei gibt es verschiedene Klassen. Wir haben uns für die 3A-Klasse entschieden, also die dritte Klasse mit Klimaanlage. Es sind immer drei Betten übereinander, wobei das mittlere Bett zum Herunterklappen ist, damit wir am untersten Bett sitzen können. Auf unserer Fahrt nach Hospete (nächstgelegener Bahnhof von Hampi) fuhren wir zuerst durch Regenwald ähnliches Terroir mit Wasserfällen und anschließend immer wieder durch kleinere Städte. 

In Hospete angekommen nahm uns der Vater von Abdulla, einem 12-jähriger Burschen den wir am Bahnhof kennengelernt haben, ein Stück weit zum Busbahnhof mit. Sehr zum Ärger der lokalen Tuk-Tuk Fahrer, die vor dem Eingang auf Touristen warten. Am Busbahnhof stiegen wir in den Regionalbus nach Hampi ein. Schnell noch in der Unterkunft eingecheckt und dann ging es für uns auf einen Berg hinauf, um dort den Sonnenuntergang zu betrachten. Die Gegend hier in Hampi ist übersäht mit rötlich abgeschliffenen Felsformationen und ganz vielen hinduistischen Tempeln aus früher Zeit.

Den größten Tempel besichtigten wir abends und wurden Teil der Abendzeremonie. Einheimische erklärten uns was vor sich ging. Gläubige laufen bei Saxophonmusik herum und fangen den Gott ein. In der Mitte liegen Opfergaben für den Gott, umgeben von brennenden Kerzen. Früh morgens findet ebenso eine Zeremonie statt und der Tempel ist wieder für Gläubige geöffnet. Irgendwie beruhigt uns die Atmosphäre im Tempel und wir fühlen uns schon viel wohler in Indien. Wir konnten dort viele Kontakte mit Inder/-innen knüpfen, die uns ihre Kultur näherbringen möchten und interessiert an unserem Herkunftsland sind. Aufgrund unserer hellen Hautfarbe fragen sie uns auch, ob wir ein Foto mit ihnen machen. Wir fühlen uns geehrte und kommen aus dem in die Kamera-Grinsen nicht mehr raus.