Wir kommen wieder – die neunte Woche (24.-30.10)

31. Okt 2022 | Marokko, mit dem RUCKSACK

Am Anfang der neunten Woche wanderten wir hoch hinauf. Nach einigen Wandertagen im Atlasgebirge fuhren wir zurück zum Dreh- und Angelpunkt Marrakesch, um von dort aus eine Tour in die Sahara zu starten. Aber nicht alles verläuft bei uns so, wie wir es uns vorstellen. Am Ende der Woche landeten wir wieder im Surfhouse, ohne die Sahara gesehen zu haben und haben dort Marokko nochmal in vollen Zügen genießen dürfen.

Atlasgebirgsüberschreitung

Die erste Nacht in den marrokanischen Bergen war kalt, fast so kalt wie in jener Nacht direkt am Mittelmeer ohne Zelt und bei starkem Wind. Hier auf ca. 2.000 Höhenmetern kühlte es in der Nacht ordentlich ab. Gottseidank hatten wir viele Decken zur Verfügung und nach dem regionalen Frühstück von unseren Gastgebern waren wir gestärkt für den Aufstieg. Wir wanderten bis auf 3.200 Höhenmetern um ins andere Tal zu gelangen. Der Wanderweg war früher die einzige Möglichkeit ins andere Tal zu gelangen. Heutzutage gibt es eine richtige Passstraße für Autos auf der anderen Seite des Berges. Die Höhenmeter hinauf waren mehr als anstrengend, wahrscheinlich weil ich auch nicht in bester Form war. Mich plagten Unterleibsschmerzen. Am Weg zum Pass liefen uns zwei Einheimische entgegen und wir kreuzten eine Ziegenherde mit ihren Hirten, ansonsten war keine Menschenseele zu sehen. Das Wasser von der Gebirgsquelle hörten wir plätschern und der Wind pfeifte herum. Oben angelangt konnten wir endlich erahnen was uns im Tal erwartet. Die Vegetation wechselte von schroffen Steinwänden zu saftig grünen Wiesen. Doch auch der Blick auf die bezuckerten Gipfel, die nun ganz nah waren, ließ besonders mich die Herausforderung schnell vergessen. Nach einer kurzen Snackpause hinter einem großen Stein zum Schutz vor dem starken und kalten Wind suchten wir den Weg runter ins Tal. 

In Tachedirt wartete Hassan schon gespannt auf unseren Besuch. Seine Dachterasse nutzen wir um das Panorama und den Sonnenuntergang zu betrachten und uns zu erholen. Anschließend aßen wir am Boden sitzend den köstlich zubereiteten Couscous von Hassan. Besonders stolz war Hassan auf seinen Flachbildfernseher. Wahrscheinlich ist er der einzige im Ort, der einen besitzt. Und besonders glücklich machten wir ihn, als wir mit ihm einen Actionfilm angeschaut haben.

Zurück am Touristenpfad

Das Ziel des nächsten Tages war zuerst nach Imlil zu wandern und dann mittels Großraumtaxi nach Marrakesch zu fahren. Das hieß ein letztes Mal noch die angenehme Stille aufnehmen, bevor es wieder in enge Gassen voll mit Touristen und Einheimische geht. Doch auch schon in Imlil merkten wir, dass nicht nur wir die Berge Marokkos erkunden wollten. Viele andere Wanderbegeisterten starteten hier, um beispielsweise den höchsten Berg von Nordafrika zu besteigen. Uns beiden reichte unsere Wanderroute, die sich übrigens jedes Jahr Anfang Oktober in eine Ultramarathonstrecke verwandelt. Mit einem Großraumtaxi fuhren wir dann nach Marrakesch. In der Stadt angekommen, buchten wir unsere Tour in die Sahara. Die Tour hätte drei Tage gedauert und wir wären mit einem kleinen Bus auf dem Weg in die Wüste an verschiedenen Naturspektakeln vorbeigefahren. Eine Nacht hätten wir sogar direkt in der Wüste verbracht. Hätten wir nicht eine Mail vom Organisationsteam bekommen, die uns mitteilte, dass unsere Buchung wegen Überbuchung ungültig sei. Am darauffolgenden Tag hätten wir die Tour so wie sie ist buchen können, aber wir wollten keinen weiteren Tag in Marrakesch verbringen. Die Vorstellung in der Wüste unter Sternenhimmel zu schlafen ist also geplatzt. Doch es gibt ein gutes Notfallprogramm. Wir werden wieder ins Surfhouse fahren. Dort haben wir uns wohl gefühlt und wollen wieder das gute Frühstück, die nette Gesellschaft und die Natur genießen.

Willkommen zurück!

Dienstagabend rannten wir nicht ohne Grund nochmals durch die vollen Gassen – die Nachspeisen (Msem und Süßes von der Bäckerei) in Marrakesch sind köstlich. Am nächsten Morgen beantragten wir noch vor der Abfahrt nach Essouira unser Visum für Indien, somit können wir auch wirklich ohne Gedanken über die Weiterreise einige Tage im Surfhouse entspannen. Am Marrakescher Busbahnhof ergatterten wir noch die letzten Sitzplätze im Bus. Am 66. und am halb kaputten 67. Platz saßen wir und schauten gespannt aus den Fenstern. Gegen Nachmittag kamen wir in der vertrauten Gegend an und es scheint als hätte sich nichts verändert. Unterschiedliche Düfte von den Schafen, Eseln und Kühen lag in der Luft, die Kinder spielten wie gehabt auf der Straße Fußball und grüßten uns, anstatt uns um Geld zu fragen. Das Gefühl, wir sind nur hier um „gemolken“ zu werden, das in den letzten Tagen stark vorhanden war, haben wir schnell abgelegt und uns dem dörflichen Leben angepasst.

Die Kekse vom alten Mann

Auch der nette Shopinhaber erkannte uns gleich beim Betreten des kleinen Shops und Eseln und Kühe fressen weiterhin aus den Müllkontainern. Wir sind froh, hier zu sein. In Oussane fand wir Zeit, um eine Verschnaufpause einzulegen. Markus konnte jedoch am nächsten Tag nicht mehr ordentlich durchatmen. Ihn quälte eine leichte Verkühlung. Deshalb verbrachte er mehr Zeit im Bett als üblich. Zeit für mich, um die Natur noch besser zu erkunden und bei so heißen Temperaturen freute ich mich immer wieder über eine erfrischende Abkühlung im Meer. Abends kochten wir beide mit Amine (Besitzer des Surfhouses) ein Oktopus- und Gemüsetajin für unsere ganze Surferclique. Im Surfhouse machten wir Bekanntschaft mit einem Franzosen, einem Argentiner und einer Deutschen. Die Themen, über die wir gesprochen haben, wurden fast ausschließlich dem Surfsport gewidmet. So lernten wir weitere wichtige Faktoren über die optimalen Bedingungen fürs Wellenreiten. Nebenbei aßen wir bzw. ich das nach Wildragout schmeckende Oktopustajin und die Gemüsetajin. Als Nachspeise tischten wir anschließend die guten Kekse vom alten Shopinhaber auf. Eine Prise Weihnachten in der Kombination mit Sesamkörner brachte auch die anderen Surfer zum Schwärmen.

Surfen

Nun konnten wir auch wieder unsere sportlichen Routinen einführen. Der morgendliche Lauf und die Dehnübungen vor dem Frühstück ließen uns gut in den Tag starten. Und nach dem Frühstück wurde auf den Sonnenterassen Buch gelesen und entspannt. Herrlich. Nachmittg fühlte sich Markus wieder fit genug und lief mit Surfboard den Wellen entgegen. Für mich waren die zwei Surftage in der Vorwoche ausreichend, deshalb betrachtete ich Markus Surfkünste aus der Ferne am Strand. Und den Abend verbrachten wir wieder mit unserer Surfclique, die um drei Italiener reicher wurde. An diesem Abend gab es Couscous nach traditioneller Art gekocht. Insgesamt drei Stunden dauert es bis der marokkanische Couscous zum Verzehr fertig ist. Er wird über Gemüse mit dessen Wasser gedämpft und jede Stunde mit Öl eingerieben. Diesen Aufwand schmeckten wir. Bei weitem der beste Couscous, den wir bisher gegessen haben.

Letzter Tag im Surfhouse

Unseren wirklich letzten Tag im Surfhouse wollten wir nochmals genießen. Deshalb kochten wir uns zu Mittag ein Gemüsetajin. Tajins sind einfach zu gut, um sich eine Chance sie zu kochen entgegen zu lassen. Anschließend kauften wir das letzte Mal im Shop beim alten Mann einen Vorrat an Keksen ein und verabschiedeten uns zugleich. Er war sichtlich gerüht und gab uns für unsere Weiterreise noch reichlich Nüsse und Kekse mit. Abends suchte ich während Markus im Surfhouse chillte den Weg in die Natur. Nicht weit entfern vom Surfhouse gibt es einige gute Surfspots, also Standorte, an welche Wellen fürs Surfen geeignet brechen. Sie liegen mitten in der Natur und haben mir einerseits Eindrücke davon gegeben, wie gute Surfer auf drei Meter hohe Wellen reiten können und ein paar Schritte weiter blickte ich ins Weite. Ich war auf dem Weg zum Leuchtturm und sah, dass unten am Ufer ein Meer aus Sanddünen besteht. Atemberaubend. Wenn diese also die ganze Landschaft bedecken würden, würde man es Wüste nennen. So hatte ich dann doch noch ein Wüsten ähnliches Erlebnis. Beim gemütlichen Zusammensitzen auf der Terrasse nachher sah ich dann noch eine Sternschnuppe am Sternenhimmel. Und vielleicht wird ja der Wunsch, wieder einmal hierher zu kommen, wahr. Dabei geht es nicht nur um die schöne Landschaft, sondern um die Menschen hier. Wir hoffen, dass wir mit Amine irgendwann, irgendwo wieder einmal gemeinsam kochen können, während wir zu guter marokkanisch-französischer Musik tanzen.

Vor unserer Ankunft in Marokko habe ich diverse Schauergeschichten in Reiseblogs gelesen. Als Frau sollte ich ein Kopftuch tragen, als Frau werde ich entweder ignoriert oder sexuell belästigt, als Frau sollte ich Augenkontakt mit Männern vermeiden und Einheimische würden sowieso nur mit dem Mann sprechen. In manchen Situationen hätten uns wohl weniger Verkäufer angesprochen, wenn ich meine blonden Haare unter einem Kopftuch versteckt hätte. Von Ignoranz oder sogar Belästigungen spürten wir beide auf unserer dreiwöchigen Reise nichts. Die Marokkaner und Marokkanerinnen sind äußerst hilfsbereit, nett und aufgeschlossen. Und by the way (=nebenbei) wir lieben ihre Gerichte mit den ganzen Gewürzen. Und würden am liebsten die Gewürze inklusive einer Tajinschüssel mit nach Österreich nehmen, aber unser Gepäck und die Weiterreise lassen dies nicht zu. (Aber falls von euch wer jemanden kennt, der jemanden kennt, der Tajinschüsseln verkauft, schreibt es doch in die Kommentare. Vielleicht können wir ja dann doch die eine oder den anderen mit unseren erlangten marokkanischen Kochkünste in den Urlaub versetzen.)

Wie kommen wir jetzt nach Casablanca?

Von allen im Surfhouse verabschiedet, ging es für uns wieder nach Essouira. Von dort hätten wir den Fernbus nach Casablanca, unserer Abflugstadt genommen, hätte es noch zwei freie Tickets gegeben. Beide großen Busgesellschaften, die wir für die vorherigen Busfahrten gebucht hatten, waren ausverkauft. Nach kurzer Ratlosigkeit entschieden wir uns den Tipp einer Dame zu befolgen und unser Glück beim General Busbahnhof zu versuchen. Unsicher, ob wir an diesem Tag noch die 6 Stunden entfernte Wirtschaftsstadt erreichen, machten wir uns zu Fuß auf den Weg. Und haben begriffen, wir haben uns unötig Sorgen gemacht. Gleich beim Betreten des Busbahnhofsreals wurden wir zu einem Bus nach Casablanca gelotst. Uns war klar die nächsten Stunden verbringen wir mit vielen Einheimischen im nicht-klimatisierten, schon in die Jahre gekommenen, muffigen Bus. Aber hey am Ende erreichten wir unser Ziel und das sogar schneller als im Vergleich zu den zwei großen Busgesellschaften.

Am Abend waren wir damit beschäftigt, unsere Rücksäcke mitsamt aller benötigten Dokumente für die Einreise nach Indien bereit zu machen. Mit drei unterschiedlichen Fliegern werden wir von Afrika nach Asien reisen. Gespannt, ob alles mit den Flügen und der Einreise klappt, schliefen wir in Marokko ein.